Für den perfekten Ton

In der Schule war Musik einst sein schwächstes Fach, heute gilt Laurin Müller als Ausnahmetalent im Klavierstimmen. Beim Wettbewerb der Bundes Deutscher Klavierstimmer vor wenigen Wochen hat der 20-Jährige den 1. Platz in seiner Gruppe belegt. Die Ausbildung macht der gebürtige Baden-Württemberger seit vergangenem Jahr im Pianohaus Hübner.

„Wir sind wirklich stolz auf Laurin“, sagt seine Kollegin mit dem Lächeln einer Mutter, deren Kind sehr gute Noten nach Hause bringt. Denn mit dem ersten Platz beim bundesweiten Klavierstimmwettbewerb hat Laurin Müller nicht nur sich selbst in ein gutes Licht gerückt, sondern auch seine Ausbildungsstätte in der Theodor-Heuss-Allee. Dabei gab es Zeiten, in denen hätte sein eigener Musiklehrer wohl keinen Euro darauf gewettet, dass er es im Musikbereich einmal zu etwas bringen würde. „Musik war lange mein schwächstes Schulfach“, sagt der 20-Jährige mit einem Grinsen. „Da habe ich regelmäßig zwischen 4 und 5 gehangen.“

Die Wende kam, als seine jüngere Schwester Klavierunterricht erhielt und ein Piano angeschafft wurde. Als sie die ersten Menuette lernte, saß ihr Bruder daneben und lauschte. Bis dahin hatte der Schüler kaum Berührungspunkte zu Musik gehabt, denn weder stammt er aus einem außerordentlich musikalischen Elternhaus, noch kam er in den Genuss musikalischer Früherziehung. „Meine Eltern hatten zwar früher Gitarre gespielt – wie das in den Siebzigern alle gemacht haben –, aber das war es dann auch schon.“ Nachdem der musikalische Funke auf ihn übergesprungen war, erhielt er mit 14 Jahren seinen ersten Klavierunterricht. Verglichen mit anderen Jungtalenten, die bereits im Kleinkindalter zu üben beginnen, war Müller also ein Spätzünder.

Doch schon seine erste Klavierlehrerin attestierte ihm großes Talent: Er lerne schnell. Allerdings konnten die Czerny-Etüden und Fingerübungen den Novizen nicht so recht packen – nach einem Jahr beendete er den Unterricht. „Schon damals habe ich mich viel mehr für Harmonielehre, Musiktheorie und den Aufbau von Akkorden interessiert als für das praktische Spielen – und heute bin ich immer noch kein guter Spieler“, bekennt er. Er begann zu diesem Zeitpunkt, Jazz zu hören, sich mit dem Aufbau von Stücken zu beschäftigen, als Autodidakt ein Spezialist in Sachen Musiktheorie zu werden. Angenehmer Nebeneffekt war eine rapide Verbesserung im Fach Musik, das er schließlich als Leistungsfach wählte.

Als er mit 16 Jahren in einer Freiburger WG einen Saxofonisten kennenlernte, der gelernter Klavierbauer war, keimte in ihm zum ersten Mal die Idee, dass dieser Beruf etwas für ihn sein könnte. Die Verbindung von musikalischer Theorie und handwerklichem Bauen reizte ihn. Und entgegen kam ihm, dass als Voraussetzung nur Klavierspiel auf mittlerem Niveau gefordert wurde. Nach dem Abitur machte Müller sich auf die Suche nach einem Ausbildungsbetrieb – und wurde eher zufällig auf das Trierer Pianohaus aufmerksam: „Ich bin ganz einfach über die Internet-adresse auf deren Homepage gelandet, die mich dann wirklich beeindruckt hat.“

Das Vorstellungsgespräch in Trier war sein einziges. Die Ausbilder testeten sein musikalisches Gehör, ob Tonintervalle erkannt und Melodien reproduziert werden können. Hier kam dem Bewerber zugute, dass er diese Fähigkeiten bereits für seine vierstündige Abiturprüfung im Fach Musik trainiert hatte. „Natürlich ist es auf Partys für Leute beeindruckend, wenn ich ein Lied nachspielen kann, nachdem ich es einmal gehört habe. Aber das bringt es mit sich, wenn man viel Musik hört und irgendwann verstanden hat, welchen Regeln die Akkorde folgen.“ Aber nicht nur Gehör und theoretisches Wissen wurden abgefragt, sondern auch Erfahrung mit handwerklicher Arbeit. „In der Ausbildung sind beide Komponenten wichtig: Die Feinjustierung von 88 Tasten braucht ein sehr gutes Gehör, der Einbau von großen Teilen aber auch ganz praktische Kenntnisse im Umgang mit Holz.“ In Trier war man überzeugt von ihm und schickte ihm eine Zusage für einen der raren Ausbildungsplätze – in ganz Deutschland werden jährlich insgesamt nur 40 Klavierbauer ausgebildet.

Eine Berufswahl, die Eltern glücklich macht? „Meine jedenfalls schon“, lacht Müller. „Aber sie hätten mich auch genauso unterstützt, wenn ich mich für ein Philosophiestudium entschieden hätte. Sie sind natürlich glücklich, dass ich so schnell gefunden habe, wonach andere manchmal lange suchen müssen. Ich wüsste im Moment nicht, was ich jemals anderes machen wollen würde.“ Die Entscheidung für Trier hat er in den vergangenen anderthalb Jahren nie bereut: „Ich fühle mich sehr wohl in der Stadt und es ist ein schönes Gefühl, fachlich gut in dem zu sein, was man macht.“ Gefragt, ob sein Können die reine Summe aus Wissen und Erfahrung sei, überlegt der 20-Jährige eine Weile. Dann antwortet er: „Ich bin zum Beispiel wirklich ein miserabler Maler. Aber wenn ich jahrelang Intensivkurse absolvieren würde, könnte ich vielleicht lernen, wie ich mit Farbe und Pinseln umgehe, wie ich ein Bild komponiere und mit Licht und Schatten umgehe. Aber ich glaube nicht, dass ich dadurch auch automatisch ein guter Maler wäre. Um wirklich gut zu sein, gehört vielleicht doch noch etwas dazu, das man nicht erlernen kann.“ Manche sagen auch: eine Gabe.

KATHRIN SCHUG

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