Meyer und Marx: Karl das Brot

„Brot und Wein: Was brauchen wir mehr für Körper und Seele?“, meint der Backes Herrmann. Offensichtlich hat er den Eindruck, dass unser Experiment prima läuft.

Wir machen nämlich im Palastgarten ein Picknick, bei dem wir ausschließlich Waren essen und trinken, die Karl Marx im Produktnamen führen: Ich habe das Brot besorgt. Zwei Brote, genauer gesagt, denn die Bäcker der Region interpretieren Marx als Backware durchaus unterschiedlich.

Die Biebelhausener Mühle wirbt mit „feinen Röstnoten, leichten Getreidearomen und würzigem Nachhall, mit Buttermilch und Kartoffelflocken“. Das klingt gar nicht revolutionär. Immerhin verheißt die Werbung auf der Marx-Brottüte einen herzhaften Charakter, was unserem Karl schon näher kommt, sowie eine garantiert lange Frischhaltung, was zu 200 Jahren Marx und der Haltbarkeit seiner Theorien passt.

Deutlich mutiger interpretiert die Backstube Frick aus Mehring Marx als Brot: Da hier ausschließlich Zutaten verwendet werden, die es zu Karls Zeiten in Trier gab, hat man an diesem Marx-Brot ordentlich was zu kauen. „Dieser Marx gehört nicht zur Kategorie leichtverdaulich“, meint der Herrmann und zählt die Inhaltsstoffe auf: „Gerstenvollkornmehl, Kartoffelstifte, Roggenvollkorn, Dinkelmehl, Leinsaat, Salz, Wasser und Hefe. Ein Marx mit vielen Ballaststoffen. Nicht gerade leichtverdaulich. Und sowohl die Biebelhausener als auch Frick nehmen Sauerteig fürs Marx-Brot.“ Der Herrmann sagt das, als ob er das Sauerteigige und Schwerverdauliche grundsätzlich passend findet und schneidet uns von den Karl-Broten einige Scheiben ab.

Foto: Herrmann Backes
Foto: Herrmann Backes

„Rot oder weiß?“ Ohne meine Antwort abzuwarten, gießt der Herrmann mir einen Karl-Marx-Riesling ein, den er in einer Wirtschaft im unmittelbaren Umfeld der Porta besorgt hat. Die Kellnerin dort hat behauptet, dass dieser Riesling aus Köwerich einer von Karls Lieblingsweinen war. Auch eine Weinstube in der Palaststraße gibt vor, zu wissen, was Marx am liebsten becherte: „KARL MAGS ROT“ heißt das trockene Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot aus der Pfalz, das mit 14 Prozent Alkohol auch dem reinen Wirkungstrinker etwas bietet. Da aus Karls Briefwechsel verbürgt ist, dass im Marxschen Haushalt der Rote gegen allerlei Krankheiten eingenommen wurde, trinken der Herrmann und ich einen Marx-Mosel-Riesling aus heimatlicher Verbundenheit und den Pfälzer Rotwein aus medizinischen Gründen.

„Brot und Wein, schön und gut“, versuche ich den Backes Herrmann herauszufordern. „Aber müssen wir die Schnitten denn trocken essen? Würde dazu nicht etwas Gegrilltes passen, Brat-Marxe oder so?“ Ich versuche, witzig zu sein und singe: „Wenn wir Braaat-Marxe grillen, fängt die Stimmung an …“

„Natürlich gibt’s Wurst dazu“, zaubert der Herrmann unbeeindruckt eine Dose hervor. „Wir haben zwar nichts zum Grillen, aber natürlich geht mir kein Marx-Brot ohne ordentlichen Belag über die Picknickdecke.“ Er öffnet eine Dose „Proletarierfrühstück“ vom Hofgut Serrig. Mir ist nicht klar, was genau die vom Hofgutspersonal ausbeutungsfrei hergestellte Dosenwurst proletarisch macht. Außerdem ist es Nachmittag und nicht Frühstückszeit. Aber das „Proletarierfrühstück Roter Trierer“ harmoniert mit dem Marx-Brot und hat einen sehr zufriedenstellenden Abgang, zumal wenn man ordentlich mit Marx-Wein nachspült – egal ob mit weißem oder rotem.

Danach habe ich immer noch Appetit sowie das Gefühl, dass unser Experiment nicht so recht abgerundet ist. „Gibt’s noch Nachtisch?“, stichele ich und bin mir sicher, dass Herrmann jetzt passen muss. „Irgendwas Süßes, einen Marx-Riegel vielleicht? Marx macht mo-biiil bei Arbeit …“

„Voilà!“, kontert der Herrmann auch diese Blödelei von mir. Offensichtlich nimmt er das Marx-als-Nahrungs-und-Genussmittel-Experiment ernster als ich: „Trüffel fürs Volk!“

Foto: Herrmann Backes
Foto: Herrmann Backes

Tatsächlich bietet das Café Mohr nicht nur eine Karl-Marx-Schokolade sondern auch handgefertigte Marx-Trüffel an. Jede einzelne Trüffelpraline ist ein Unikat und geht aus einem nicht-maschinellen und damit nicht entfremdenden Arbeitsprozess hervor. Die Trüffel gibt es in verschieden großen Holzschächtelchen (bei denen ich mir nicht sicher bin, ob die auch alle handgefertigt sind). Und das Beste ist: Das Café, in dem die Karl-Marx-Trüffel feilgeboten werden, heißt genauso, wie Marx in seinen jungen Jahren mit Spitznamen gerufen wurde.

„Ich kann mir durchaus vorstellen“, sagt der Herrmann, während er sich genüsslich Schokoladenreste von den Fingern leckt, „dass unser Karl diese Trüffel gemocht hätte. Der hatte ein Näschen für kulinarische Spezialitäten. Nicht umsonst hat ihn seine Jenny in etlichen Briefen ‚mein Schwarzwildchen’ genannt.“

„Aber doch nicht, weil er Trüffel erschnüffeln konnte“, melde ich meine Zweifel an, ob Jenny diesen Tiernamen Marx wegen dessen Essgewohnheiten gab. Das Hervorheben des Eberhaften an Karl muss sich auf andere Lebensbereiche bezogen haben, auf die ich vielleicht ein andermal zurückkomme.

Der Backes Herrmann jedenfalls genießt unser Picknick-Experiment, wirft noch einen Marx-Trüffel ein und testet, wie der sich zusammen mit dem „KARL MAGS ROT“-Wein macht. „Schade, dass wir keinen Marx-Schnaps auftreiben konnten, einen Kräuter-Karl oder etwas in der Art“, sinniert er. „Aber die 200-Jahr-Feierlichkeiten haben ja gerade erst begonnen und wer weiß, welche Karl-Marx-Genussmittel bis Oktober noch auf den Markt kommen. Das war heute sicher nicht unser letztes Marx-Picknick.“

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