Kennen Sie … das Zunfthaus?

Seit dem Mittelalter haben sich Handwerksmeister in Städten zu Zünften zusammengeschlossen. Die Trierer Schreiner und Zimmerer hatten in der Palaststraße 12 auch ein eigenes Gebäude, in dem sie sich regelmäßig trafen. Es ist das einzig noch erhaltene Zunfthaus nicht nur in dieser Straße, sondern in ganz Trier. Ehemalige Nachbarn waren die Zünfte der Leyendecker und der Steinmetze.

Im Altstadtbereich fallen immer wieder giebelständige Häuser ins Auge, welche inmitten der Straßenzüge oftmals auch mit ihrer Höhe hervorstechen. Eher gedrungen dagegen wirkt das weiß verputzte Haus mit den rotorange gehaltenen Fenster- und Türeinfassungen. Während die oberen Stockwerke noch einen fast authentischen Eindruck des Gebäudes zu dessen Entstehungszeit um 1400 wiedergeben, ist das Erdgeschoss mit seinen Ladenlokalen eine Gestaltung aus dem Jahr 1900.

Als gotisches Bürgerhaus ist das ehemalige Zunftshaus ein besonderes Gebäude in der Palaststraße, die im Zweiten Weltkrieg so einige historische Bauwerke verloren hat. Es steht schräg in der Straßenflucht und ist am besten zu betrachten, wenn man die Straße vom Hauptmarkt aus kommend entlangläuft. Foto: Bettina Leuchtenberg
Als gotisches Bürgerhaus ist das ehemalige Zunfthaus ein besonderes Gebäude in der Palaststraße, die im Zweiten Weltkrieg so einige historische Bauwerke verloren hat. Es steht schräg in der Straßenflucht und ist am besten zu betrachten, wenn man die Straße vom Hauptmarkt aus kommend entlangläuft. Foto: Bettina Leuchtenberg

Seit 1303 sind die Zimmerleute eine von zehn in Trier ansässigen Zünften. In der Vereinigung der Handwerker schlossen sich all diejenigen zusammen, die mit Holz arbeiteten. Darunter zählten neben den Zimmerleuten auch Schreiner, Kistenmacher, Wagenbauer, Drechsler, Büchsenschäfter, Säger und Glaser. Die Schreiner machten den größten Teil der Mitglieder aus, so dass die Zunft diese beiden Berufe im Namen tragen sollte. Bekannt ist sie als „Zunft der Schreiner und Zimmerer“. Büchsenschäfter fertigten die Schäfte von Gewehren und Pistolen, und Glaser bearbeiteten nicht nur das Glas selbst, sondern setzten es zum Beispiel für Fenster in Holzrahmen ein, weswegen sie Teil der Kollektivzunft waren.

Informationen über alte Berufe, deren Bezeichnungen uns sich heute nicht mehr unmittelbar erschließen, findet man übrigens in der hervorragenden digitalen Edition der Oekonomischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz aus den Jahren 1773 bis 1858. Die insgesamt 242 Bände stellen eine der wichtigsten deutschsprachigen Quellen für die Zeit des Wandels zur Industriegeschichte dar und werden als digital recherchierbare Volltexte von der Universität Trier und der Deutschen Forschungsgesellschaft online zur Verfügung gestellt.

Zurück zum Zunfthaus. Vertreter der genannten Berufe versammelten sich hier seit dem frühen 15. Jahrhundert regelmäßig zu Festen, Versammlungen und Amtshandlungen. Im Obergeschoss befand sich ein großer Saal, dessen mit Stuckdekor verzierte Kölner Decke bis heute in Teilen erhalten ist. Josef M. Greber beschreibt den Raum im Trierischen Jahrbuch 1952: „In der großen Stube des Amtshauses stand die Fahne der Zunft mit dem Bilde des Schutzpatrons. Truhen und Schränke bargen wertvolles Gemeinschaftsgut: Becher und Kannen, Tischgeschirr und Tafelaufsätze, Leuchter und Umgeldbüchse, Bahrtuch und Schild. Von der Decke hing das Lüsterweibchen herab. Meisterbilder und Wappentafeln zierten die Wände, gemalte Scheiben die schmalhohen Fenster. Den Ehrenplatz unter alledem hatten Lade und Willkomm inne, weil sie, wie kein anderes Stück, eine ganz besondere Rolle im zunftherrlichen Leben spielten.“

Die Innungslade der Schreiner und Zimmerleute stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Während sie bei der Auflösung der Zünfte unter Napoleon gerettet werden konnte und heute im Besitz des Stadtmuseums Simeonstift ist, ist das historische silberne Willkomm im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen. Aktuell ist die Lade prominentes Stück in der Ausstellung „Aufgemöbelt“.  Foto: © Stadtmuseum Simeonstift Trier
Die Lade der Schreiner und Zimmerleute stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Während sie bei der Auflösung der Zünfte unter Napoleon gerettet werden konnte und heute im Besitz des Stadtmuseums Simeonstift ist, ist das historische silberne Willkomm im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen. Aktuell ist die Lade prominentes Stück in der Ausstellung „Aufgemöbelt“. Foto: Stadtmuseum Simeonstift

Die Trierer Lade stammt aus dem Jahr 1635 und ist ein aufwändig gestaltetes Kleinmöbel mit Eisengriffen und Einlegearbeiten aus Nussbaumfurnier. Im Inneren ist sie kleinteilig gestaltet, birgt Schubladen und im Deckel ein eisernes Schloss unter einer Schiebeplatte. Zusammen mit dem Willkomm, also einem besonderen Trinkbecher und der Fahne mit dem Heiligen Josef als Patron bildeten sie die Amtskleinodien der Holzwerker. Zu öffnen war die Lade mit zwei Schlüsseln, die laut Zunftordnung getrennt voneinander aufbewahrt werden mussten. Sie barg Kostbares und konnte auf diese Weise nicht von einer Person alleine geöffnet werden. Im Bruderschaftsregister waren alle Mitglieder verzeichnet, eine Liste der Lehrlinge wurde geführt und auch das Amtssiegel, die Zunftsordnung, Akten, Urkunden und eine Armensammelbüchse fanden hier sicher Verschluss. Die Lade und das Willkomm konnten von den Schreinern im Jahr 1798 gerettet werden, als unter Napoleon die Zünfte aufgelöst wurden und deren Vermögen in die Kriegskasse einfloss. Mehr als 100 Jahre später vereinigten sich die Schreiner wieder zu einem Gewerbeverein, und erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gab es wieder eine Freie Tischlerinnung Trier. Heute halten mehr als 30 Innungen in der Region – vom Bäcker bis zum Zweiradmechaniker – ihre Traditionen hoch und führen ihre handwerklichen Tätigkeiten und Dienstleistungen in die Zukunft.

Aus dem gotischen Bürgerhaus wurde nach 1900 das Geschäftshaus des Maler- und Anstreichermeisters August Heinz, der oberhalb der zwei Schaufenster und dem mittig liegendem Eingang über die gesamte Breite der Fassade für sein Geschäft geworben hat, wie ein historisches Foto aus der Sammlung Deuser zeigt. Bei dieser Umbaumaßnahme wurde das vierte Doppelfenster in der ersten Etage in die Fassade gebrochen, welches direkt unterhalb des Kamins liegt. Schon immer hatte das Haus zwei Eingänge – zur Bauzeit befanden diese sich direkt nebeneinander unterhalb der beiden links liegenden Fenster. Zu Barockzeiten trennte man die beiden Türen und setzte dazwischen zwei neue rechteckige Fenster in das Erdgeschoss. Heute führt ein Eingang in die beiden Ladelokale und einer ganz rechts in die oberen Stockwerke.

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