Kennen Sie … die Kastenhäuser?

Die Siedlung „Auf der Hill“ in Olewig ist alles andere als eine langweilige Aneinanderreihung von Reihenhäusern, bei denen sich die Bewohner oftmals zu nahe kommen und Individualität bei der Ausführung keine Rolle spielt. Jedes einzelne der 65 Häuser ist den topografischen Gegebenheiten angepasst und bietet trotz der Nähe zu den Nachbarn Intimität.

Nachdem Mitte der sechziger Jahre der Trierer Hafen errichtet, im Jahr 1970 die Trierer Universität neu gegründet wurde und sich gleichzeitig vermehrt Industriegebiete in den 1969 eingemeindeten Orten ansiedeln konnten, erlebte Trier einen regelrechten wirtschaftlichen Aufschwung. Und so wuchs auch der Bedarf an neuen Wohnungen und Häusern. Es entstanden beispielsweise das Wohngebiet „Im Schammat“ mit dem sozialen Schammatdorf und das Neubaugebiet Mariahof. Ein weiteres der neuen Wohngebiete entstand in den frühen Siebziger Jahren in Olewig im Streifen zwischen der St.-Anna-Straße und der Caspar-Olevian-Straße. Auftraggeber war das 1949 gegründete „Familienwerk des Bistums Trier“, welches sich unter anderem den Neubau von Wohnraum und den Siedlungsbau zur Aufgabe gemacht hat. Die Straße „Auf der Hill“ führt direkt in die gleichnamige Siedlung hinein, die der Trierer Architekt Günter Kleinjohann plante. Olewig selbst gehört schon seit 1930 zur Stadt Trier und wurde stetig über den Ortskern hinaus erweitert. Aus den Dreißiger Jahren stammt die Siedlung Trier-Ost, aus den Fünfziger und Sechziger Jahren die Bebauung am Trimmelter Weg. Von 1969 bis 1974 schließlich wurde das Gebiet „Auf der Hill“ erschlossen und bebaut.

Städtebaulich ist es ein zusammenhängender Komplex mit 65 Einfamilienreihenhäusern. Die längsgestreckte Siedlung liegt auf einem Hang zwischen zwei Straßen, an denen sich die Garagen und die Zugänge zu den Fußwegen befinden. Die aus weißem Kalksandstein gemauerten Häuser sind entweder zwei- oder zweieinhalbgeschossig. Etwa die Hälfte der Einfamilienhäuser sind als Terrassenhäuser ausgestaltet. Die einzelnen Häuser bilden Gruppen, die sich jeweils um eine Art öffentlichen Hof oder Platz reihen. Der hier entstehende Raum ist der Kommunikation, dem Zusammenleben und der Nachbarschaft gewidmet. Jedes einzelne Haus variiert in seiner räumlichen Ausweitung, so dass individuelle Bedürfnisse der Bauherren berücksichtigt werden konnten.

Auch wenn die Häuser teilweise aneinandergebaut und eng gestaffelt platziert sind, haben die Bewohner dennoch eine Privatsphäre, die sich aus der ausgeklügelten Bauform ergibt. „Die Häuser sollten nicht zu teuer sein, also war die Wirtschaftlichkeit zugleich Forderung und ein wesentliches Kriterium“, sagt Günter Kleinjohann, der seit den frühen Siebziger Jahren selbst eines der Häuser bewohnt. „Das beginnt bei der zweibündigen Erschließung der Siedlung, was bedeutet, dass durch weniger Wege auch billiger gebaut werden konnte.“

Die Häuser selbst sind aus unverputztem Kalksandstein, Sichtbeton und rotbraunen Hölzern an den Fenstern und den Haustüren gestaltet. Sie sind ost-westseitig ausgerichtet, wodurch der Wohnbereich jeweils auf der sonnigen Westseite liegt. An den Fußwegen mit den Niveautreppen stehen auf einer Seite immer Terrassenhäuser, wodurch sich automatisch ein Sichtschutz zu den gegenüberliegenden normalen Häusern ergibt. Durch die gestaffelte Ausrichtung, die versetzt liegenden Wege, Niveautreppen, Rampen und unterschiedlich große Plätze sowie das viele, bereits von Anfang an mitgeplante Grün wirkt die Siedlung nicht langweilig.

Das Haus des Architekten ist das einzige der Siedlung, welches sich bis heute in der Originalfassung präsentiert. Fotos: Bettina Leuchtenberg
Das Haus des Architekten ist das einzige der Siedlung, welches sich bis heute in der Originalfassung präsentiert. Fotos: Bettina Leuchtenberg

„Das sieht hier nicht aus wie Kaninchenställe. Geistlose Reihenhaussiedlungen kann ich überhaupt nicht leiden“, so Kleinjohann über seine einzige Siedlung, die er neben 13 Kirchen, zahlreichen öffentlichen Gebäuden und Privathäusern umgesetzt hat. Der Dortmunder studierte in Stuttgart und Aachen Architektur und arbeitete sechs Jahre in Köln, bis ihn ein Ruf an die Fachhochschule nach Trier brachte, wo er sich niederließ. Dass er selbst in einem seiner eigenen Häuser innerhalb der Siedlung lebt, sei nicht gewöhnlich. „Viele Nachbarn haben während der Bauzeit auch immer wieder in meine Baustelle geschaut, um sich zu versichern, dass der Architekt sich selbst das Gleiche baut. Denn es gab ja durchaus Vorurteile gegen die Flachdächer mit Erde obendrauf!“ Und auch die großen Glasflächen in den Wohnbereichen sind wesentliches Gestaltungselement der Siedlung. „Licht ist ein wichtiger Baustoff – man muss es nur hereinlassen“, so das Credo von Kleinjohann. Durch die Staffelung der Häuser und der wechselnden Anordnung der Typen sind alle großen Glasflächen so gelegen, dass man nicht in die Wohnräume hineinsehen kann. Die Sicht nach draußen ist die wichtige: Die Fensterflächen und Terrassen öffnen sich zu einem phänomenalen Blick auf das Olewiger Tal, die Weinberge und den Petrisberg.

Und auch die Kombination aus den hellen Baustoffen mit den Pflanzen sind besonders in der Trierer Siedlung. Auf den im Obergeschoss liegenden Terrassen ist nicht nur Platz für einen Rasen, sondern die Betonelemente an den Häusern sind gleichzeitig Blumenkästen. In idealer Weise lebt man hier sowohl im Grünen als auch in der Stadt, ohne dass man sich um zu große arbeitsaufwändige (Nutz-)Gärten kümmern müsste.

Auch wenn die Bewohner der Siedlung ihren Architekten mit der Benennung eines Platzes („Place de Petit Jean“) ehrten, so ist Kleinjohann nicht immer froh mit der einsetzenden Individualisierung der Häuser. Das individuelle Geschmacksniveau sei über die Jahre gesunken, so der Architekt, dessen eigenes Haus noch immer so aussieht wie nach der Fertigstellung. Statt Baumarkttüre ist bei ihm noch die massiv gearbeitete Redwood-Holztür zu finden. Und die original Wagenbach-Außenleuchte dürfte die letzte Ihrer Art auf der Hill sein.

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