„Klar kann ich über Kirchenwitze lachen“

Bis 2005 war Ludwig Ring-Eifel neun Jahre lang Vatikan-Korrespondent der Katholischen Nachrichten-Agentur in Rom, seitdem ist er Chefredakteur der KNA. 16 VOR sprach mit dem gebürtigen Trierer über seine Arbeit unter drei verschiedenen Päpsten, über Religion und Medien im Allgemeinen und Kirche und Satire im Speziellen sowie über die Beziehung zu seiner Heimatstadt, in der er nicht nur aufwuchs und studierte, sondern auch für die Grünen zwei Jahre im Stadtrat saß.

16 VOR: Herr Ring-Eifel, können Sie über Kirchen- oder Religionswitze lachen?

Ludwig Ring-Eifel: Klar kann ich das. Witze über die eigene Glaubensgemeinschaft, ihre Würdenträger und Widersprüchlichkeiten gehörten schon im Judentum zur Religion dazu. Und in der katholischen Kirche natürlich auch. Nur Fanatiker können nicht lachen, wenn man die Schwächen ihres Vereins mit einem Witz auf die Schippe nimmt.

16 VOR: Sie haben unter anderem Philosophie und Theologie studiert. Kennen Sie den: Ein Philosoph und ein Pfarrer streiten sich darum, welcher der beiden von ihnen vertretenen Disziplinen der höhere Rang zukomme. Spöttisch meint der Pfarrer: „Philosophie ist, als ob jemand in einem dunklen Raum mit verbundenen Augen eine schwarze Katze sucht, die es gar nicht gibt.“ Darauf antwortet der Philosoph: „Theologie ist, als ob jemand in einem dunklen Raum ebenfalls mit verbundenen Augen eine schwarze Katze sucht, die gar nicht da ist und plötzlich ruft: ‚Ich hab sie!‘“ Lustig oder nicht?

Ring-Eifel: Den Witz habe ich im Studium öfter gehört. Er ist deshalb besonders gut, weil er in ironischer Brechung und extrem verdichtet sehr gut auf den Punkt bringt, welche erkenntnistheoretischen und methodischen Grundprobleme es in der Philosophie und in der Theologie gibt. Und dann zeigt es auch noch, wie diese Probleme von den lachenden Außenstehenden gründlich missverstanden werden.

16 VOR: Vor knapp drei Jahren sorgte ein Titelbild des Satiremagazins Titanic für Empörung unter Gläubigen, weil darauf der damalige Papst als inkontinent dargestellt wurde. Dieser war zunächst juristisch dagegen vorgegangen und hatte wegen der „Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte“ eine einstweilige Verfügung gegen das Blatt erwirkt. Später zog der Papst jedoch seinen Antrag zurück. Wie beurteilen Sie dessen Vorgehensweise in diesem Fall?

Ring-Eifel: Damals habe ich das Vorgehen kritisiert, weil ich es mir unlogisch schien, dass der Papst bei diesem Beschwerdeweg ausschließlich seine Persönlichkeitsrechte als alter Mensch verteidigen wollte. Das war ja damals das Besondere: Der Vatikan bemühte nicht den sogenannten Blasphemie-Paragraphen aus dem deutschen Strafrecht, sondern er machte die Würde geltend, die jeder Mensch und insbesondere jeder alte oder behinderte Mensch in seiner Schwachheit hat. Heute finde ich, das war genau der richtige Weg. Dass die Klage zurückgezogen wurde, hing vermutlich damit zusammen, dass ein gerichtlicher Sieg des Papstes wohl gründlich missverstanden worden wäre, nämlich als ein Sieg der Kirche gegen die Pressefreiheit und die in Deutschland hochheilige Freiheit der Satire. Und das wollte er nicht.

„Man muss die Mechanismen der Mediengesellschaft verstehen, wenn man sich in diese Arenen begibt“

16 VOR: In einem Essay, das Sie über den Fall Mixa in The European schrieben, stellen Sie in Bezug auf den Umgang der katholischen Kirche mit den Medien fest: „Wer in Talkshows mitmacht, wer Journalisten zu Hintergrundgesprächen einlädt, wer Medienabteilungen ausbaut und professionelle Sprecher engagiert, die neben dem Schild der Verteidigung auch das Florett und den Säbel zu führen verstehen, der sollte wissen, was er tut, und die Nebenwirkungen kennen.“ Heißt das, dass Sie die mediale Öffnung der Kirche kritisieren, oder dass sich deren Vertreter nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollten?

Ring-Eifel: Diese Bemerkung zielte vor allem auf den damaligen Medienberater von Bischof Mixa, der, um im Bild zu bleiben, ein heftiger Säbelkämpfer war und damit manchen Schaden angerichtet hat. Aber abgesehen vom damaligen Kontext glaube ich auch heute noch, dass die Hauptakteure in der Kirche die Mechanismen der Mediengesellschaft noch viel besser verstehen sollten, wenn sie sich in diese Arenen begeben. Papst Franziskus hat nach meinem Eindruck ein ziemlich gutes Gespür dafür. Wahrscheinlich ist er da ein Naturtalent. Sein Grundsatz im Umgang mit den Medien ist übrigens: „Ich spiele nie deren Spiel, sondern immer meines.“ Das funktioniert bislang ziemlich gut, obwohl seine Medienleute sich immer wieder die Haare raufen, wenn er ohne jede Absprache spontan kommuniziert und so spricht, wie ihm der argentinische Schnabel gewachsen ist.

16 VOR: Trifft Ihrer Meinung nach das im Essay erwähnte Bibelzitat „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um” auch auf die getöteten Redakteure von Charlie Hebdo zu? Ein Brandanschlag und eine Morddrohung gab es bereits Jahre zuvor. Hätte das Warnung genug sein müssen, keine weiteren Scherze über Mohammed zu machen? Oder darf man sich von Terror nicht beeinflussen lassen?

Ring-Eifel: Es gab ja auch unter den früheren Mitarbeitern von Charlie Hebdo solche Debatten. Nicht alle fanden das gut, so viel zu riskieren. Die Idee, dass man sich von Terror nicht beeinflussen lassen könnte, halte ich für weltfremd. Terror ist eine sehr reale Gewalt, die Gesellschaften verändert. Es ist wie eine gefährliche Krankheit, auf die ein Körper – also die Gesellschaft – zwangsläufig reagieren muss, um das eigene Überleben zu sichern. Der Terror der RAF hat damals die BRD verändert, und der islamistische Terror verändert nicht nur Syrien, Afghanistan und Libyen sondern – wenn auch in anderer Weise – sogar Frankreich und andere westliche Länder. Was gar nicht geht, ist, sich vom Terror diktieren zu lassen, wie man Gesetze gestaltet, wie man schreibt, lebt, denkt und so weiter. Aber reagieren muss man, und klug und verantwortlich handeln muss man auch.

Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (l.), im Interview mit Ludwig Ring-Eifel. Foto: Harald Oppitz, KNA
Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (l.), im Interview mit Ludwig Ring-Eifel. Foto: Harald Oppitz, KNA

16 VOR: Wie weit darf Meinungs- und Pressefreiheit bei religiösen Themen gehen?

Ring-Eifel: Es gibt in Deutschland und einigen anderen Rechtsstaaten Gesetze, die versuchen, die Religionsgemeinschaften vor allzu heftiger Beleidigung und Verletzung zu schützen. In Deutschland ist das der sogenannte Blasphemie-Paragraph 166. Dahinter steht der Gedanke des Gesetzgebers, dass der innere Friede der Gesellschaft bedroht wäre, wenn jede noch so verletzende Hetze gegen Gläubige – egal welcher Religion – erlaubt wäre. Ich finde das einen vernünftigen Gedanken, so wie ich es auch vernünftig finde, dass antisemitische Hetzpropaganda verboten sein kann. In den USA oder in Großbritannien wären solche Verbote undenkbar, aber wir leben ja in Europa.

16 VOR: Papst Franziskus ist der dritte Papst in Ihrer Zeit als katholischer Journalist. Hat sich Ihre Arbeit unten den verschiedenen Kirchenoberhäuptern geändert?

Ring-Eifel: Natürlich ändert sich die Arbeit in den Pontifikaten. Es macht einen gewissen Unterschied für die Arbeit der KNA, ob gerade alle deutschen Medien einen Papst runterschreiben oder ob sie einen Papst positiv wahrnehmen. Aber im Grunde bleibt die Arbeit mit ihren speziellen Herausforderungen immer dieselbe: Wir müssen über das berichten, was in Rom geschieht. Wir müssen versuchen, es zu verstehen, einzuordnen und zu erklären und es im deutschen Kontext zu interpretieren. Und zwar ausgehend von dem, was ist. Und das ist nicht immer so, wie man es gerne hätte. Auch wenn das manchmal gegen den Mainstream der Medien geht.

„Kardinal Meisner titulierte uns als ‚Drecksschleuder'“

16 VOR: Gibt es für Ihre Arbeit Vorgaben aus Rom? Oder vom Verband der Diözesen Deutschlands, dem Mehrheitseigner der KNA?

Ring-Eifel: Ich habe, abgesehen von einigen Interventionen des inzwischen pensionierten Kölner Kardinals Meisner, der die KNA wegen einiger kritischer Artikel einst als „Drecksschleuder“ titulierte, nur selten Vorgaben auch Rom oder von den deutschen Bischöfen gespürt. Die Konferenz-Vorsitzenden Lehmann, Zollitsch und Marx – die drei habe ich bislang als Chefredakteur erlebt – haben sich auch jeder auf seine Weise schon mal beschwert. Das war dann, wenn sie sich selbst oder die Kirche insgesamt in einem KNA-Text zu Unrecht schlecht behandelt oder falsch zitiert sahen. Meistens hatten sie Recht mit ihrer Kritik. Aber ich denke, bei der Menge an Texten und Bildern, die wir täglich produzieren, ist eine minimale Fehlerquote unvermeidlich. Und manchmal ist es auch einfach nur eine Frage der Perspektive, dass wir als Journalisten die Dinge anders sehen als unsere Gesellschafter.

16 VOR: Hat es für Sie irgendeine Bedeutung, wenn Sie Nachrichten aus Trier über den Ticker schicken? Ist Ihr Interesse da höher als bei anderen Mitteilungen?

Ring-Eifel: Allerdings! Trier ist zwar nicht mehr der Nabel der katholischen Welt im Westen Deutschlands, aber es bleibt eine der Kraftquellen der Kirche. Es bleibt das älteste Bistum, hier werden der Heilige Rock und das Grab des Apostels Matthias verehrt, in Trier ist mit Karl Marx einer der bedeutendsten Religionskritiker des 19. Jahrhunderts aufgewachsen. Aus Trier kamen beim Zweiten Vatikanischen Konzil und in den Jahren danach wichtige theologische Impulse, Kardinal Ratzinger hatte hier seinen letzten wichtigen deutschen Auftritt vor seiner Wahl zum Papst. Und der heutige Bischofskonferenzvorsitzende Marx hat in Trier das Bischofshandwerk erlernt. Und jetzt tagt in Trier die einzige Bistumssynode in Deutschland. Das sind jetzt nur die wichtigsten Highlights.

Für die KNA lag Trier in den vergangenen Jahrzehnten immer ein wenig am Rande, weil es eben aus Köln-Bonner Perspektive eher abgelegen ist. Um das zu ändern, entsenden wir ab diesem Sommer erstmals einen eigenen permanenten KNA-Korrespondenten nach Trier, der wird dann außerdem aus Luxemburg und vielleicht auch aus Lothringen berichten.

„Man lernt eine gesunde Skepsis gegen zeitgeistige Moden und Hypes“

16 VOR: Hat Trier und die katholische Prägung der Stadt eine Rolle bei Ihrer Berufswahl gespielt? Der Besuch des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums scheint zumindest Einfluss auf die Fächerwahl an der Uni gehabt zu haben.

Ring-Eifel: Eine katholische Prägung hätte ich vermutlich auch in München, Mainz oder Münster abbekommen. Aber vielleicht ist es schon dieses Besondere an der Prägung in Trier: Man kriegt jede Menge Historie mit auf den Weg, da lernt man eine gesunde Skepsis gegen zeitgeistige Moden und Hypes. Es ist gewissermaßen das totale Gegenteil von Berlin, wo immer alles neu und hip und fast ohne Wurzeln zu sein scheint. Meine Zeit am FWG möchte ich jedenfalls nicht missen, vor allem nicht die Leistungskurse in Latein und Alt-Griechisch. Das alles hat mir später das Leben als Vatikan-Korrespondent in Rom sehr erleichtert, ich fühlte mich da fast wie zuhause.

16 VOR: Haben Sie heute außer der beruflichen noch eine andere Verbindung nach Trier?

Ring-Eifel: Meine Mutter lebt bis heute in Trier, und ich besuche sie gelegentlich. Und dann sind da noch ein paar alte Freunde, zu denen ist der Kontakt und die emotionale Nähe nie ganz abgerissen. Manchmal erkundige ich mich auch noch nach der Kommunalpolitik, ich war ja auch mal ein paar Jahre im Stadtrat, und mein Vater war der letzte Bürgermeister im damals noch selbständigen Ehrang. Auch das verbindet natürlich.

16 VOR: Gibt es etwas in Trier, das Ihnen in Berlin oder woanders fehlt? Bzw. was ist für Sie obligatorisch bei einem Trier-Besuch?

Ring-Eifel: Ich versuche immer ganz da zu sein, wo ich gerade bin und denke nicht daran, was mir von anderswo fehlt. Obligatorisch in Trier ist ein Besuch bei meiner Mutter und am Grab meines Vaters auf dem Friedhof von Paulin. Ein Gang über den Hauptmarkt, in den Dom und in den Domkreuzgang, wo einige Geistliche begraben sind, die ich kannte. Manchmal streife ich auch wehmütig an der „Glocke“ und anderen Kneipen aus meiner Studentenzeit vorbei und denke an die wilden 1970er und 1980er Jahre.

16 VOR: Sie sind 55 Jahre alt und seit zehn Jahren Chefredakteur der KNA. Reizt es Sie, noch mal zu einer Zeitung zu gehen oder etwas ganz anderes zu machen, oder könnten Sie sich auch noch weitere zehn Jahre in der Nachrichtenagentur vorstellen?

Ring-Eifel: Die Redaktion einer Nachrichtenagentur zu leiten ist eine einzigartige Herausforderung. Auch wegen der vielen technischen Neuerungen. Wir produzieren ja längst nicht mehr nur für Zeitungen, sondern auch für die Nachrichtensendungen im Fernsehen und Radio, für Internetportale und für die Verbreitung über die sozialen Netzwerke. Und dann dieser tägliche, stündliche Kampf um die bessere, schnellere und umfassendere Information und die bessere Nachricht. Das Schleifen und Feilen an Inhalten, Formulierungen und im Fotografischen an der Bildsprache. Eine Nachrichtenagentur ist eine hochkomplexe Maschine an der Schnittstelle von Wirklichkeit und Medien, und die Menschen, die diese Maschine am Laufen halten, sind eine ganz besondere Spezies von Journalisten und Managern. Also, solange ich das Tempo durchhalte, würde ich gerne da weitermachen, wo ich bin. Aber manchmal träume ich immer noch davon, wieder als Korrespondent nach Rom zu gehen.

Ludwig Ring-Eifel wurde 1960 in Trier geboren. Nach dem Studium (u.a. Philosophie, Theologie, Religionswissenschaft, Altphilologie) kam er zum Journalismus. Von 1986 bis 1989 war er Redakteur bei der FAZ in Frankfurt, dann bei der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. Nach einem Zwischenspiel als Chefredakteur des Magazins kontinente in Köln ging er 1996 als Vatikan-Korrespondent der KNA nach Rom. Seit 2005 ist er Chefredakteur der Nachrichtenagentur. Ludwig Ring-Eifel lebt in Berlin und Bonn. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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