Dann lieber gleich belgisch
Angeblich fährt ganz Luxemburg im August an die Côte d’Azur. Tatsächlich aber trifft man in den Sommerwochen ganz unmondän viele Luxemburger am Strand in Belgien. Und die Verbindungen Luxemburgs zum belgischen Königreich sind natürlich nicht nur im Sommer und nicht nur des Strandes wegen besonders eng.
Trotz dieser Nähe dürften sich manche Luxemburger vor einigen Tagen allerdings gefragt haben, ob nicht zumindest einer ihrer Landsmänner vielleicht etwas zu lange in der letzten „Vakanz“ in Ostende in der Sonne gelegen hat, oder ob ihm das belgische Quadrupel-Bier den Verstand vorübergehend verschlagen haben könnte. Der Differdinger Pascal Hansen nämlich hat eine Petition in der Chamber eingereicht, die den Anschluss Luxemburgs an Belgien verlangt: „Fir d‘Ofschafe vun der Lëtzebuerger Souveränitéit an Onofhängegkeet a fir d‘Annexioun un d‘belscht Kinnekräich“.
Hansens Forderung dürfte dabei ungefähr so erfolgversprechend sein wie der Versuch des Johann von Luxemburg 1346, die Schlacht von Crécy im letzten Moment und quasi eigenhändig doch noch zu gewinnen. Das Vorhaben ging gehörig schief, England gewann die Schlacht und Johann von Luxemburg konnte nur noch tot unter seinem Pferd hervorgezogen werden. Dass ihm wenig Erfolg beschieden war, überraschte damals allerdings niemanden wirklich. Schließlich war Johann blind – ein eher ungünstiger Umstand wenn man sich reitend englischen Langbogenschützen entgegenwirft.
Ob Pascal Hansen ähnlich mildernde Umstände geltend machen kann, ist nicht bekannt. Er möchte mit seiner Petition aber eigentlich auch gar nicht erfolgreich sein, sondern gegen das im Sommer dieses Jahres in Luxemburg stattfindende Verfassungsreferendum protestieren. Die Luxemburger sollen dann nämlich unter anderem darüber abstimmen, ob auch Nicht-Luxemburger (die seit mindestens zehn Jahren in Luxemburg leben) an den Parlamentswahlen teilnehmen dürfen. Pascal von Differdingen hat sich nun sehenden Auges in den Kampf gegen das vorgeschlagene Ausländerwahlrecht gestürzt. Für ihn wäre es der Untergang der luxemburgischen Nation, wenn Ausländer wählen dürften, und deshalb sei es doch allemal besser, den Staat gleich freiwillig aufzulösen und sich Belgien anzuschließen.
Vielleicht rechnet Hansen noch mit prominenter Unterstützung – schließlich müsste bei einem Anschluss an Belgien Jean-Claude Juncker nicht mehr permanent aus beruflichen Gründen ins Ausland pendeln und Xavier Bettel könnte seinen Masterabschluss in „Seerecht“ endlich einmal sinnvoll zum Einsatz bringen. Sollte dieser Support allerdings ausbleiben, wird das Referendum wohl wie geplant stattfinden, und die Luxemburger dürfen dann nicht nur sagen, ob sie Ausländer wählen lassen wollen, sondern auch, ob das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt und die Amtszeit von Ministern beschränkt werden soll.
Die Oppositionspartei CSV hat ihre Unterstützer schon mal zu “dreimal Nein” aufgerufen – schließlich kann sie weder bei einem niedrigeren Wahlalter noch beim Ausländerwahlrecht auf zukünftige Stimmenzuwächse hoffen und die Beschränkung der Amtszeit würde wohl auch vor allem ihre Mandatsträger treffen. Und da die regierende sozial-liberal-grüne Koalition momentan nicht mehr ganz so hoch in der Wählergunst steht wie noch vor einem Jahr (was wohl etwas mit den beschlossenen Sparmaßnahmen zu tun haben dürfte) ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Luxemburger sich der CSV anschließen und mehrheitlich mit „Nein“ stimmen werden.
Und falls nicht? Dann bleibt Pascal Hansen immer noch eine Möglichkeit zum Frustabbau, die Serge Tonnar besingt:
„Kann et wéinst dem Optiker sinn?
Huet hee mir vläicht e falsche Brëll ginn?
Ech kann iech all net méi gesinn!
Leckt mech dach all am Aasch
Ech fueren op d’Belsch Plaasch“¹
Da, am belgischen Strand, trifft er sie dann allerdings alle wieder: Die, die mit „Ja“ gestimmt haben und die, die seit neuestem wählen dürfen. Das Quadrupel-Bier wird Hansen dann vielleicht trösten können.
¹ „War der Optiker vielleicht Schuld? Hat er mir die falsche Brille gegeben? Ich kann euch alle nicht mehr sehen! Leckt mich doch alle am Arsch, ich fahre an den belgischen Strand.“