Hundert historische Highlights
Die Handschriften „Codex Egberti“, „Ada-Evangeliar“ und „Trierer Apokalypse“ markieren den künstlerischen Höhepunkt der ottonischen und karolingischen Epoche. Sie zählen zum kulturellen Erbe des Mittelalters. Ab dem 14. November werden diese und andere bibliophile Schätze der Stadtbibliothek wie die Gutenberg-Bibel oder der einzigartige „Fischkalender“ wieder öffentlich zu sehen sein. Dann wird die neue Schatzkammer eröffnet, die die wertvollsten und bedeutendsten Stücke der Sammlung in einer Dauerausstellung präsentiert.
TRIER. Noch sind die großen Glaskästen in den neuen Räumlichkeiten der Schatzkammer in der Stadtbibliothek leer. Nur zwei große Globen thronen bereits in ihren Vitrinen. Schon bald sollen hier die bedeutendsten Werke der Trierer Sammlung ein neues Zuhause finden, wenn am 14. November die neu gestaltete Dauerausstellung eröffnet wird.
Dafür wird es auch höchste Zeit, so Dr. Michael Embach, der seit sieben Jahren die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv leitet. „Die Schatzkammer wurde 1984 im Zuge der 2000-Jahr-Feier ins Leben gerufen. Sie ist in den Folgejahren immer wieder für kleinere Ausstellungen benutzt worden. Allerdings hat sich im Laufe der Zeit immer deutlicher gezeigt, dass Technik, Sicherheit und Mediendidaktik einfach nicht mehr zeitgemäß waren“, erklärt der Germanist und katholische Theologe.
Vor gut drei Jahren wurde eine Initiative gegründet, die das Ziel hatte, den international renommierten Bestand der Stadtbibliothek im Rahmen einer Dauerausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit EU Fördergeldern zur Unterstützung der regionalen Wirtschaft konnten der Ausbau und die Neukonzeption der Schatzkammer schließlich umgesetzt werden.
Es hat sich Einiges verändert: Die Einrichtung wurde räumlich erweitert und in ein Gesamtkonzept, das einen Schulungsraum für Seminare, einen Medienraum mit zeitgemäßer Technik und ein Forum als Anlauf- und Begegnungsstätte umfasst, eingebettet.
Die Fülle der Bestände der Bibliothek – immerhin gut 435.000 Titel, darunter 3.000 Handschriften aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit sowie ungefähr 3.000 Werke aus der Gutenbergzeit – erforderte natürlich eine engere Auswahl. Man entschied sich dafür, nur die hundert spektakulärsten Titel aus den Magazinen der Stadtbibliothek zu präsentieren. Immer im Wechsel werden rund fünfzig Exponate ihrer Bedeutung angemessen und zeitgemäß in der Dauerausstellung zu sehen sein. Darunter finden sich berühmte Werke wie der Codex Egberti (UNSECO-Weltdokumentenerbe), eine Gutenberg-Bibel und einige weltweite Unikate, wie ein Einblattdruck aus dem Kloster Himmerod von 1493, der einen Fischkalender zeigt.
„Die mittelalterlichen Werke schließen in Trier eine Lücke“, so Embach. „In der Stadt wird sonst ein deutlicher Schwerpunkt auf das antike Erbe gelegt. Die Sammlung in der Schatzkammer ist ein bedeutender Teil unseres kulturellen Erbes, das nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.“ Der laufende Betrieb werde ausschließlich über ehrenamtliche Helfer und Helferinnen bestritten. „Das muss man würdigen – es ist ein deutliches Signal, dass der Trierer Bürgerschaft wirklich etwas an dieser Institution liegt. Ich bin sehr froh, dass wir so viele engagierte Menschen haben.“
Um die Ausstellung in die akademische Landschaft der Region einzubinden, gibt es bereits erste Gespräche für eine Kooperation mit den Schulen und Hochschulen der Umgebung. „Wir können hier im Haus mit unseren Originalobjekten die Theorie und Praxis nahtlos miteinander verbinden“, erklärt der Bibliotheksleiter. „Wir werden aber nicht nur die Bildungseinrichtungen ansprechen, sondern auch ein Familien- und Kinderprogramm anbieten.“ Junge Besucher sollen eigene Drucke an einer Handdruckpresse erstellen können, es wird Kinderführungen und Rallyes durch die Ausstellung geben. Das Ganze wird durch Audio-Guides und eine multimediale Aufarbeitung der geschichtlichen Fakten unterstützt. Und an Geschichte mangelt es der Stadtbibliothek Trier beileibe nicht.
„Die Stadtbibliothek ist ein Folgeprodukt der französischen Revolution. Im Zuge der Säkularisation wurden viele Klöster aufgelöst und deren Besitztümer, darunter auch die Bibliotheken, gingen in den weltlichen Besitz über“, erzählt Embach. „1804 wurde in Trier mit der Stadtbibliothek ein Sammelbecken eingerichtet, in dem diese Bestände zusammen mit einigen Schenkungen der Trierer Mäzene im Laufe der Jahre zusammenflossen und gesichert wurden.“
Bis heute geben die Magazine der Stadtbibliothek mitunter spektakuläre Funde preis. Zum Beispiel war der bereits erwähnte Fischkalender ein Zufallsfund in den eigenen Regalen. Immer wieder tauchen Fragmente, zum Beispiel von Hildegard von Bingen, auf, die in andere Handschriften eingeklebt oder einfach zwischen die Seiten gelegt wurden. So verfügt die Bibliothek über die bedeutendste Sammlung hebräischer und aramäischer Fragmente in ganz Deutschland. Auch aus diesem Fundus werden ausgewählte Stücke ihren Weg in die Schatzkammer finden.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer wird die neue Schatzkammer am 14. November um 18:30 Uhr eröffnen. Einen Tag später steht die Dauerausstellung dann der Allgemeinheit offen.
Lars Eggers