Kennen Sie … das Friedhaus?
Auf den ersten Blick ist es eine Friedhofskapelle und so wird das Gebäude auf dem Trierer Hauptfriedhof auch genannt. Doch es birgt weitaus mehr als nur einen sakralen Raum für die Andacht oder das Gebet. Genauso wichtig bei der Errichtung im Jahr 1870 waren die Funktionsräume, die rund um eine Beerdigung benötigt wurden.
Schon die Römer wussten, das Grabanlagen allein aus hygienischen Gründen besser außerhalb bewohnter Gebiete aufgehoben sind. Deren Gräberfelder befanden sich zum Beispiel bei St. Matthias oder St. Maximin. Doch im Laufe der Jahrhunderte ging so Einiges an Wissen verloren und seit dem Mittelalter wurden die Toten in unmittelbarer Nähe der Kirchengebäude in den Städten bestattet. Nur Ungläubige, Bettler oder auch Kriminelle fanden außerhalb der Mauern ihre letzte Ruhe, genau wie die Opfer großer Epidemien.
Im späten 18. Jahrhundert verbot Kurfürst Wenzeslaus die Beerdigung der Toten in den Kirchen. Der Platz auf den Kirchhöfen wurde in der Folge zu eng und Trier bekam einen ersten pfarreiunabhängigen Friedhof „Am Zuckerberg“ – wieder mitten in der Stadt! Erst unter napoleonischer Herrschaft verschwanden die Kirchhöfe endgültig aus der Innenstadt. Das „Décret impérial sur les sépultres“ aus dem Jahr 1804 gab konkrete Anweisungen für die Gestaltung des Gottesackers.
Eröffnet wurde der städtischen Hauptfriedhof mit einiger Verspätung im Jahr 1808. Und erst 1815 erhielt der Friedhof eine Kapelle mit Leichenhaus, wie im 1861 erschienenen „Handbuch für Reisende durch das Moselland von Trier bis Coblenz“ von Karl Geib beschrieben wird: „Etwas weiter nach der Stadt hin, rechts von der Landstraße, liegt der stille, freundliche von Pappeln beschattete Friedhof, auf dem sich auch manch frommes Denkmal und manch fromme sinnige Grabschrift zeigt. Er schließt das Leichenhaus ein, welches ein edler Menschenfreund, zum Gedächtnis seiner 1815 verstorbenen Mutter, deren Asche in dem hinzugefügten Kapellchen ruht, stiftete. Es ist mit allem zur Wiederbelebung der Scheintodten sehr zweckmäßig eingerichtetem Apparate versehen; daneben befindet sich die Wohnung des Aufsehers.“ Der edle Menschenfreund war Gerichtspräsident und Kunstkenner Johann Peter Job Hermes (1765-1833), der außerdem seine kulturhistorisch wertvolle Sammlung der Stadt Trier vermachte.
Traditionell wurden die Toten bis zur Beerdigung im häuslichen Umfeld aufgebahrt. Erst ein preußisches Gesetz machte dem Brauch ein Ende, denn ab 1827 durften Beerdigungen erst 72 Stunden nach dem Eintreten des Todes und bei erkennbaren Zeichen der Verwesung begraben werden. Dies war für Familien kaum zumutbar und in Folge dessen starb auch der Brauch der familiären Totenwache.
Die Kapelle mit Leichenhaus wurde immer häufiger genutzt. 1850 wurde sie sogar vergrößert, bevor sie dem Neubau weichen musste, der bis heute im Betrieb ist und etwas weiter östlich errichtet wurde. Die heutige Kapelle steht dort, wo ursprünglich das Eingangsportal zum Friedhof seinen Platz hatte – denn nicht nur die Kapelle wurde zu klein, der gesamte Friedhof musste bereits nach wenigen Jahrzehnten erstmals erweitert werden. Die napoleonisch verordnete Friedhofsmauer steht heute zwischen den Grabreihen.
Das Gebäude ist aus rotem, heimischen Sandstein errichtet, als Kontrast dazu sind die Architekturglieder und das Maßwerk aus hellem Sandstein gestaltet. Der Hauptraum des neogotischen Friedhauses ist tatsächlich eine Kapelle, ausgestattet mit einem Altar und einem gerade abgeschlossenen Chor, den ein großes Maßwerkfenster des Glasmalers Jakob Schwarzkopf (1926-2001) ziert. Über dem Eingang erhebt sich eine steinerne Empore, und ein Epitaph an der Seitenwand erinnert an den Mäzen der ersten Kapelle. Rechts und links vom Kapellenraum schließen sich jeweils zwei voluminöse Querhäuser an, welche die gesamte Länge des Andachtsraums begleiten. Das nördliche Querhaus wurde im Laufe der Zeit zu einer kleinen Einsegnungshalle umgestaltet, welche immer noch genutzt wird – als Alternative zur neuen Einsegnungshalle am Eingang Hospitalsmühle aus den frühen 1960er-Jahren.
Das südliche Querhaus ist zweigeteilt. Von hier aus erreicht man die Empore und hier war ursprünglich auch die Leichenhalle. Zu erkennen ist dies außen gut an den zweiflügeligen Türen der südlichen Fassade, durch die problemlos größere Wagen geführt werden können. Daran schließt sich bis heute der Sezierraum an, Ort der städtischen Pathologie bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Hier ist die Zeit stehengeblieben. Auf einem Beistellwagen reihen sich akkurat die Skalpelle, Scheren und Pinzetten und auf einem kleinen Aktenschrank gruppieren sich braune Apothekerflaschen für Alkohol, Tinkturen und Lösungen. Auf dem kleinen Schreibtisch liegt ein aufgeschlagener Aktenordner. In der Mitte des Raumes steht der höhenverstellbare massive Seziertisch, die Wände sind bis zur Hälfte gekachelt. Alle an einer ungeklärten Ursache gestorbenen Menschen wurden hier obduziert, bevor sie ihre letzte Ruhe finden konnten.
Das Gebäude wird derzeit denkmalpflegerisch aufgenommen. Für die Instandsetzung sammelt die Trier-Gesellschaft Spenden.