Kennen Sie … die Weinkathedrale?
Mitten zwischen den Wohnhäusern im ruhigen Trierer Süden liegt als eines der wenigen gewerblich genutzten Häuser eine für Trier einmalige Jugendstilarchitektur mit kunstvollem Dekor an der Außenfassade. Flankiert wird das farbenfroh gestaltete Eingangsportal der ehemaligen Weinkellerei Johann Förster von zwei gedrungenen Türmen. Seit 1905 bis heute wird hier Wein und Sekt gelagert, abgefüllt und vertrieben.
Ein langgestreckter dreischiffiger Bau mit zentriertem Eingangstor und flankierenden Türmen. In den Kellergeschossen liegen die wertvollsten Dinge des Eigentümers. Wenn man die Beschreibung des Gebäudes so beginnt, könnte auch von einem Kirchenraum die Rede sein. Doch es sind keine Heiligengräber oder Krypten, welche unter dem immensen stützenlosen und gewölbten Raum lagern, sondern das flüssige Gold der Mosel und der Saar: Wein und Sekt.
Um diese Schätze und Kostbarkeiten, welche um die Jahrhundertwende an Königshäuser und Luxuseinrichtungen in der ganzen Welt exportiert wurden, passend zu lagern, war ein moderner Weinkeller notwendig. Professor Carl Sieben (1864-1927) konstruierte das Gebäude komplett in Eisenbeton. Der Weingutbesitzer Heinrich Kunz, der seine Reben in Trier und in Bernkastel anbaute, engagierte für diese Aufgabe 1905 den einschlägig innovativen Aachener Bauingenieur und Architekten. In der Regel wurden Trierer Bauten bis zum Ersten Weltkrieg fast ausschließlich in handwerklicher Tradition errichtet, sodass für die Weinkellerei eigens auch eine externe Firma angeheuert wurde. Das Düsseldorfer Baugeschäft Carl Brandt war spezialisiert für Beton- und Eisenbetonarbeiten. Der Trierer Architekturhistoriker Hans Hermann Reck vermutet, dass die Trierer Unternehmer zu diesem Zeitpunkt noch keine ausreichende Erfahrung mit dem neuen Baustoff gehabt hätten. Immerhin entstand hier das erste Stahlbetongebäude Europas mit solchen Abmessungen.
Die pittoreske Fassade des so modernen Funktionsgebäudes ist neben den Schmuckelementen glatt verputzt und hat in der Mitte liegend den Eingang, durch den die kostbaren Weine in Fässern angeliefert wurden. Kunz persönlich hat das Gebäude wohl eher durch den Hintereingang betreten, denn der einstig ausladende Garten seiner Villa in der Südallee 37 grenzte an die Rückseite der Weinkellerei.
Hinter der Fassade in der Gilbertstraße, über die sich in einem weiten Feld Weinpflanzen ranken, in denen auch zwei Vögel einen schönen Sitzplatz finden, befindet sich direkt die Haupthalle, die mit einem flachen Tonnengewölbe gedeckt ist. Die gebogene Form des Gewölbes ist gleichzeitig der obere Abschluss der Hauptfassade, welche von zwei stämmigen Türmen umrahmt wird. Die dreischiffige Halle hat Ausmaße von 41,50 x 30 Metern. Während das breite stützenlose Mittelschiff und das östliche Seitenschiff Raum für die Lagerung der Flaschen und Kisten sowie die Transport- und Hebetechnik bieten, ist der westliche Flügel der Organisation des um die Jahrhundertwende so prosperierenden Weinhandels gewidmet. Hier befindet sich das in dunklem und modern verziertem Holz getäfelte Direktorenzimmer, welches original erhalten ist. Mit einem kleinen Erker aus buntem Glas mit Weinmotiven ragt es in die Lagerhalle herein und atmet die Geschichte der letzten 100 Jahre.
Während an der einen Wand das in Öl gemalte Porträt des früheren Besitzers Johann Förster hängt, zeugen Gastgeschenke wie ein goldener Buddha und Fahnen asiatischer Länder an die guten Verbindungen zu den heutigen Geschäftspartnern. Weitere Räume des zweigeschossigen Flügels beinhalten das Probierzimmer sowie Büroräume, sanitäre Anlagen und weitere Sozialräume für die Mitarbeiter. In der ersten Etage ist ein Veranstaltungsraum, der heute von den Vereinen „Schlaraffia Augusta Trevirorum“ sowie der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Trier genutzt wird.
Schon bald nach dem Bau der Kellerei verkaufte die Witwe von Heinrich Kunz das gesamte Gebäude im Jahr 1916 an die Firma Johann Förster GmbH. Dessen Name prangt bis heute auf dem hellblau gefassten Putz, der das florale Relief der Fassade einfasst. Die Initialen „H“ und „K“ in den runden Medaillen oberhalb des Tores erinnern noch an den Winzer, der das Gebäude hat errichten lassen, aber nur kurz nutzte. Bis ins Jahr 1984 war der Weinkeller und -handel in den Händen der Firma Förster, die dann Insolvenz anmeldete.
Es war Adolf Schmitt persönlich, der als Käufer der Immobilie die wenigen historischen Zeugnisse aus den Containern retten konnte, die bis heute von den Firmen Kunz und Förster existieren. Schmitt kaufte das Anwesen für seine kurz vorher gegründete Saar-Mosel-Winzersekt (SMW) GmbH. 1983 hatten sich 32 Winzer der beiden Flüsse zusammengeschlossen, um gemeinsam mit Kollegen aus Rheinhessen die Idee eines Winzersektes auszuarbeiten. Die hier produzierten Sekte, Perlweine und Weine werden noch immer in die ganze Welt exportiert – Hauptabnehmer sind jedoch nicht mehr die Königs- und Luxushäuser, sondern vermehrt der asiatische Markt.
So wohlbehalten das Gebäude heute im Süden der Stadt steht – es hat im Zweiten Weltkrieg auch stark gelitten. Bei den beiden Bombenangriffen im Dezember 1944 wurde auch die Sektkellerei getroffen, die aber wieder aufgebaut werden konnte. Das nie großartig modernisierte Gebäude ist ein Augenschmaus für alle Liebhaber der Architektur des frühen 20. Jahrhunderts – von den Emaille-Schildern zur Orientierung über die originalen Holztüren und Wandverkleidungen bis hin zu den mit Holzdekor verzierten Schränken im Büro und im Probierraum ist dies ein Ort, der erahnen lässt, wie kostbar der Wein von Mosel und Saar einst war und wie beliebt er heute wieder ist.
Ich trinke zwar lieber mal ein Gläschen Whisky, aber ab und zu ein Schoppen Wein – da sag ich auch nicht nein :p
Aber mal davon abgesehen, toller Beitrag! Ich liebe solche historischen Rückblicke 🙂