Zwölf Straftaten und ein Todesfall

Primstal ist in der Regel ein beschaulicher Ort. Eine Regel, die der dort lebende Frank P. Meyer in seinem zweitem Roman „Hammelzauber“ für nur eine Nacht außer Kraft setzt. Und so machen sich die Polizei und Hauptfigur Justus daran, gleich mehrere Verbrechen aufzuklären. Am kommenden Mittwoch liest Meyer aus seinem neuen Werk in Trier.

Primstal ist ein Ort, der nur zwei Richtungen kennt: weiter die Straße entlang – oder zurück. Ein Ort, in dem die Dorfkirmes einmal im Jahr als „Kulturgut“ gilt, was Einiges darüber aussagt, was sonst so los ist. Aber Dorfidylle? Nun ja. Gleich zu Beginn von Frank P. Meyers neuem Roman „Hammelzauber“ erhält der Leser eine Bestandsliste dessen, was sich in Primstal in nur einer Kirmesnacht ereignet hat: Zwölf Straftaten, darunter Brandstiftung, ein ungeklärter Todesfall, dem Weiher-Weiler fehlen Forellen. Ziemlich viel jedenfalls für einen Ort, in dem „normal nichts passiert“.

Die zentrale Figur des Romans ist Justus, genannt Jus. Er ist Primstaler und alt. Früher hat er einmal Krimis geschrieben, was ihn auch heute noch auszeichnet, um der Saarbrücker Polizei bei den Ermittlungen zu helfen. Und dabei schaut der Leser ihm zu. Doch es geht nicht nur darum, die Straftaten aufzulösen. Es geht auch um ihn als Person: Justus, der als Kind mit seinem Opa im Ludwigspark-Stadion zusehen musste, wie Saarbrücken gegen Schalke verliert. Oder Justus, der von seinem Vater, dem Stahlarbeiter, erzählt, und mit der Familiengeschichte auch einen Teil saarländischer Geschichte. Justus selbst war übrigens in der verheerenden Nacht von Freitag auf Samstag auch auf eben jener Kirmes, bis kurz vor ein Uhr – das besagt zumindest das Gesundheitsarmband, das nicht nur seinen Herzrhythmus überwacht.

Frank P. Meyer erzählt die Suche nach dem Täter in wechselnden Perspektiven. Es gibt die Sicht von Justus, aber auch die eines allwissenden Erzählers, der reihum dem Pfleger Nicola oder der Polizeikommissarin Paula Lück nahe kommt. Das macht diese Figuren komplexer, zum einen. Zum anderen weitet Meyer damit eine Provinzposse aus, weil er plötzlich eine Gesellschaft innerhalb eines Ortes beschreibt.

Doch nicht nur die Perspektiven wechseln, auch die Zeit. Es gibt Rückblenden bis zum Ersten Weltkrieg. Und es gibt die 2040er Jahre, in denen die eigentliche Geschichte spielt: Im französischen Kernkraftwerk Cattenom kam es zwischenzeitlich zu einer Kernschmelze. Metz musste daraufhin geräumt werden, Luxemburg auch, das Stadtzentrum von Trier ist verwaist. Nur Primstal trotzte der Katastrophe. Primstal blieb. Und mit dem Ort die „Hammelkirmes“.

Das alles – die Straftaten, die Zukunftsvision, dann der Atomunfall – scheint zunächst absurd viel für einen Roman. Ist es aber nicht. Auf 450 kurzweiligen Seiten fügt Frank P. Meyer die einzelnen Stränge mit beiläufiger Leichtigkeit zu einer Handlung zusammen. Dass die in einem Ort spielt, der am Rande einer atomaren Sperrzone liegt, erdet die sonst erheiternde Geschichte.

„Hammelzauber“ ist auch sprachlich sehr fein, weil Meyer ebenso präzise wie witzig beschreibt. Da ist der Primstaler Dialekt, ab und an. Da sind aber auch so schrullige und liebenswürdige Figuren wie Kettcar-Edgar, der seinen Namen weg hat, weil er noch mit zwölf Jahren das Kettcar einem Bonanza-Rad vorzog – und auch in den 2040er Jahren amtierender Ü70-Meister im Rennen mit futuristischen Rollatoren ist.

Am Mittwoch liest Frank P. Meyer ab 19.30 Uhr in der Stephanus Buchhandlung aus „Hammelzauber“ – und vielleicht verrät er da ja auch das Rezept zum gleichnamigen Spezialcocktail, den es für gewöhnlich nur an der Primstaler Hammelkirmes gibt. Der Eintritt kostet fünf Euro, für Studenten drei.

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