„Heute bin ich eher der Gourmetläufer“

Herbert Steffny wurde 16 Mal Deutscher Meister, holte 1986 Bronze im Marathon bei der Leichtathletik-EM und gewann weltweit mehrere City-Marathons. Seine Laufbücher sind Bestseller und seine Dienste als Trainer nahm schon Joschka Fischer in Anspruch. Im Interview mit 16 VOR erzählt der gebürtige Trierer, der am Titisee lebt, welchen Einfluss seine sportlich ebenfalls sehr erfolgreichen Brüder auf ihn hatten, was er von Nahrungsergänzungsmitteln, Nasenpflastern und Stützsocken hält, und wieso er einmal für einen Marathon über sechs Stunden benötigte.

16 VOR: Ihr „Das große Laufbuch“ ist kürzlich auf chinesisch erschienen. Wie läuft der Absatz im Land der Mitte?

Herbert Steffny: Das Buch kam gerade mit einer Startauflage von zunächst 20.000 Exemplaren heraus. Ich habe aber noch kein Exemplar in den Händen. Vielleicht löst es in China einen Laufboom aus (lacht). Bei den Männern lief 2014 keiner Marathon unter 2:18 Stunden.

16 VOR: Mussten Sie für den chinesischen Markt inhaltlich etwas ändern?

Steffny: Da habe ich wenig Einfluss und ehrlich gesagt, ich kann Chinesisch auch nicht Korrektur lesen. Soweit ich es beurteilen kann, ist es aber eng am Original. Ich vertraue dabei auf meinen Verlag.

16 VOR: Der Leiter des Olewiger Lauftreffs erzählte mir mal vor ein paar Jahren beim Training: „Herbert Steffny sagte, er könne einen Halbmarathon noch ‚aus der Bux‘ laufen. Das ist auch das Ziel meiner Übungen.“ Wie ist Ihr Fitnesszustand aktuell?

Steffny: Klar laufe ich auch nach meiner Profikarriere weiter. 10 bis 20 Kilometer sind immer drin, aber ich bereite derzeit keine Rennen vor. Vorübergehend war ich vielleicht Spitzensportler, aber Laufen bedeutet für mich heute Lebensqualität, Anti-Aging, Stressabbau oder mir am Buffet die kleinen Sünden leisten zu können. Heute bin eher der Gourmetläufer und koche auch gerne selbst.

Ich betreue nach wie vor die Lauftreffs bei meinen Laufseminaren oder Laufreisen, sitze aber auch gerne auf dem Rennrad und fahre am liebsten Alpenpässe oder auch schon mal ein Radrennen wie die „Etape de Tour“ über den Galibier nach Alp d‘Huez oder ein 100-Meilen-Radrennen auf der Londoner Olympiastrecke mit.

16 VOR: Sie sind jetzt 61. Wie hat sich Ihr Training in den vergangenen Jahren geändert?

Steffny: Ich bin eigentlich froh, nicht mehr so gezielt trainieren zu müssen wie früher. Ich trainiere heute mehr nach Wetter, Lust und Laune – im Sommer viel auf dem Rad, im Winter bei mir im Hochschwarzwald auch auf Skilanglaufbrettern. Bei miesem Wetter bin ich froh, Läufer zu sein – das geht immer.

Im Schnitt betreibe ich rund fünfmal pro Woche Sport. Ziel ist es, mit 80 Jahren auch noch joggen zu können. Natürlich bin ich mittlerweile etwas langsamer geworden, und man braucht mehr Zeit für die Regeneration. Aber wenn ich mir die meisten Gleichaltrigen anschaue, dann geht’s mir prima!

„Während ein Deutscher sein Training am Computer auswertet, ist ein Kenianer schon wieder eine Runde gelaufen.“

16 VOR: Es existieren viele Mythen bei der Ernährung und beim Training. Haben Sie früher etwas gemacht, von dem Sie heute sagen würden: „Was für ein Quatsch!“?

Steffny: Das Wesentliche beim Laufen ist, fleißig zu trainieren. Der Laufpapst Dr. Van Aaken hatte es mal treffend so bezeichnet: „Hier sind zwei Beine und da ist der Weg!“ Aber eine ganze Industrie versucht einem einzureden, dass man, wenn man dreimal die Woche joggt, schon eine ganze Apotheke voller Nahrungsergänzungsmittel, Nasenpflaster oder Stützsocken braucht. Wenn jemand Placebos braucht, na denn … Aber der Glaube an sich selbst ist zielführender, und man spart viel Geld.

Einer meiner Lieblingssprüche ist: „Während ein Deutscher sein Training am Computer auswertet, ist ein Kenianer schon wieder eine Runde gelaufen.“ Eigentlich hat mir meine Ausbildung als Naturwissenschaftler immer geholfen, nicht jedem Schnickschnack nachzugehen. Als Biologe hat man natürlich bestes Grundlagenwissen auf den Gebieten Trainingslehre, Sportmedizin und Ernährungswissenschaften. Das hat mir früher schon geholfen, einen fundierten Weg einzuschlagen, ohne sich beirren zu lassen. Das fließt auch heute in meine Vorträge oder Bücher ein.

16 VOR: Mit fast 33 Jahren haben Sie im Marathon die Bronzemedaille bei der EM in Stuttgart gewonnen, mit 42 liefen Sie den St.-Paul-Marathon in 2:18:35 Stunden und mit 47 kamen Sie auf Malta noch auf eine Halbmarathonzeit von 1:09:25 Stunde – wieviel machen die Gene und wieviel das Training aus, wenn man noch solche Zeiten laufen konnte?

Steffny: Wir sind vier laufende Steffny-Brüder. Der Langsamste lief 31 Minuten auf zehn Kilometer. Bruder Manfred war zweifacher Olympiateilnehmer, Bruder Horst Westdeutscher Marathonmeister. Manfred (2:16 Stunden) und ich (2:11 Stunden) halten den deutschen Rekord für Brüder beim Marathonlauf. Klar liegt das auch an den Genen, aber man muss auch fleißig sein und von einer positiven visionären Besessenheit beseelt sein. Ich hatte allerdings erst mit 30 Jahren die nötige Arbeitsmoral und Lebenserfahrung, mein Talent optimal zu entfalten.

16 VOR: Wenn man mit über 30 noch sehr erfolgreich ist, fragt man sich dann nicht irgendwann, was man mit 20 oder 25 alles hätte erreichen können?

Steffny: Klar habe ich mich gefragt, was wäre, wenn ich mit 19 Jahren ohne Pause weiter gerannt wäre? Vielleicht hätte es wie bei meinen früheren rheinländischen Kontrahenten Karl Fleschen oder Hans Jürgen Orthmann zu einer Weltklassekarriere auf der Bahn über 5.000, 10.000 Meter oder Hindernislauf gereicht? Aber, was soll‘s.

Bei meinem Comeback Mitte der 80er Jahre ging es mit den City-Marathons los. Es gab erstmals etwas zu verdienen. 1984 stellte ich mit meinem dritten Platz beim New-York-Marathon einen deutschen Rekord für Preisgelder (umgerechnet 60.000 DM) auf. Auch dadurch bekam der Marathon ein ganz anderes Image. Aus den verlachten Spinnern von Feld, Wald und Wiese wurden damals Gladiatoren und ich konnte mir das Ganze statt einer Uni-Karriere leisten.

16 VOR: Gab es eine Rivalität zwischen Ihnen und Ihrem Bruder Manfred, der 12 Jahre älter ist?

Steffny: Er beschritt als erster diese Laufbahn. Ich musste also nicht lange suchen, wo mein Talent liegen könnte. Er und der zweitälteste Bruder Horst haben mich trainiert und inspiriert. Aber als der Kleinste muss man auch mehr um die Anerkennung kämpfen. Der Druck war groß. Wenn ich die Familienrekorde haben wollte, musste ich Weltklässelaufer werden! Aber Manfred verstand es immer, mich auf seine Bestzeiten heißzumachen und aus mir das Beste rauszuprovozieren. Unsere Rivalität oder sagen wir „gemeinsame Mission“ ist weitergehend. Wir veranstalten beide Laufseminare oder schreiben Laufbücher. Ich hatte offenbar eine gute Schule, denn heute sind meine Bücher die Bestseller (lacht).

Christian Jöricke und Herbert Steffny beim Silvesterlauf 2008. Archiv-Foto: Daniel Prediger
Christian Jöricke und Herbert Steffny beim Silvesterlauf 2008. Archiv-Foto: Daniel Prediger

16 VOR: Am 28. Juni ist wieder Trierer Stadtlauf. Sind die Termine in Trier noch interessant für Sie?

Steffny: Den Stadtlauf hatte ich viermal gewonnen. Für die Unterbietung meines Halbmarathon-Streckenrekordes von 1:03 Stunde haben die Kenianer 17 Jahre gebraucht. Vielleicht ergibt es sich, dass ich trotz meines vollen Terminkalenders mal vorbeischaue.

Beim Silvesterlauf bin ich regelmäßig als Fotograf dabei. Mit etwa 50 Jahren bin ich mal mitgerannt. Mein Problem war, dass ich mit einem Leistungsvermögen von 32:31 Minuten über 10 Kilometer beim Elitelauf hinterherrannte, für den Volkslauf aber zu schnell war. Als Zuschauer und Fotograf macht es mehr Spaß.

16 VOR: Was war Ihr schönster Lauf und warum?

Steffny: Sehr schwer zu sagen, es gab viele Schlüsselrennen. Das geht vom ersten Pokal beim Cross in Luxemburg mit 17 Jahren über die Bronzemedaille in Stuttgart bei den Marathon-Europameisterschaften 1986 bis zu drei Siegen beim Frankfurt-Marathon. Aber das Lustigste war der Medoc-Marathon im Bordeaux 2006. Ich brauchte 6:26 Stunden … Ich nahm mir unterwegs alle Zeit dieser Erde für Austern, Schinken und Kuchen mit Rotwein. Das war Gourmetlaufen pur!

Am 27. Mai ist Herbert Steffny zu Gast beim 2. Gesundheitstag der IHK Trier, für den man sich bis zum 20. Mai anmelden kann.

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